mardi 25 novembre 2014

Als das Herz stehen blieb. Wieder mal.

Warum

Dank einer befreundeten Diakonin hat sich heut bei mir der "Knoten" gelöst und ich konnte das erste mal seit der (letzten) Krebsdiagnose von Mama richtig weinen. Oder besser heulen.

Mein Freundeskreis, zumindest der Grossteil, kommt mit der Situation so gut wie gar nicht klar, was auch daran liegt das einige davon sie persönlich kennen.



Glück gehabt

Alles began im Januar dieses Jahres. Ich bekam einen Anruf von einer Nachbarin von Mama. Sie sei auf der Treppe gestürzt und ist im XXX (einem der vielen, und leider einem der schlechtesten Krankenhäuser in der Stadt). Nach etlichen Problemen in der ZNA (mehrere Fehlinformationen, Patient nicht “auffindbar”, “unterirdische” Behandlung) konnte ich meine Mutter nach drei Stunden endlich in die Arme nehmen. Sie lag direkt vor’m Schwesternzimmer und wurde (einfach) vergessen...

Es stellte sich heraus, das sie einen Lendenwirbelbruch hatte. Klang schlimm, doch wie sich herausstellte war das nicht das eigentliche Problem, denn der Hammer kam erst. Intraspinal-Tumor, 1,8 x 0,6 cm. Sie hatte einen Krampfanfall und ist dadurch hingefallen, doch der Wirbelsäulenbruch war schon älter - verursacht durch den Tumor.

Die OP (ca 9 Stunden) ist mehr als gut gelaufen - entgegen aller Prognosen (Überlebenschance 50%, Lähmung zu 90%): sie hat die OP überlebt, konnte besser gehen als vorher und hat wieder richtig Lebensfreude bekommen.

Der Tumor war gutartig, hat nicht gestreut und alles schien in Ordnung.



Einfach funktionieren (und handeln)

Anfang September kam der nächste Schock - und der dauert bis heute an. Nachts hab ich meine Handy lautlos - nur die Nummer von Mama klingelt. Doch der Anruf kam von der gleichen Nachbarin, mit der ich mich seit Januar etwas angefreundet hat, und ich habe die Mailbox erst später (Mittags) abgehört. “Hallo Flo. Ich habe schlechte Nachricht - Deine Mum ist heute morgen ins XXX gekommen, da sie starke Unterleibsschmerzen hatte,”.

Alles stehen und liegen gelassen, ab ins XXX, gleiches Theater (Namen verwechselt)...

Aussage des Arztes bei der Verlegung auf die innere Medizin (Station): “Das ist multiple Leberfiliae, aber alles halb so schlimm - das wird schon”. Ich habe im Fahrstuhl den Bericht Fotografiert und zu Hause erst mal “gegooglelt” was “multiple Leberfiliae, 31 Verdachtspunkte ” bedeutet.



Im XXX spitzte sich die Situation so derbe zu, das ich meine Mutter auf (ihre) eigene Verantwortung ins Uniklinikum verlegen lassen habe.

Sie hatte im XXX einen Schmerzdurchbruch und das unterbesetzte Personal hat es in 98 Minuten nicht geschafft die - oder irgendeine - Ärztin zu rufen. Dafür wurde 5 mal die Patientenklingel einfach wieder zurückgesetzt. Als ich das siebte Mal am Stationszimmer war und um Hilfe gebeten habe (Mama lag verkrampft, schweissgebadet und schon halluzinierend auf dem Bett) erklärte mir der Pfleger, das er vergessen habe die Stationsärztin zu rufen. “Aber die 10 Minuten hält die das auch noch aus”.

Dank des Sicherheitsdienstes (hat der Pfleger gerufen nachdem ich ihm die Nase gebrochen und damit gedroht habe ihn aus dem Fenster zu schmeissen wenn er nicht sofort irgendeinen Arzt holt) kam dann schnell ein Arzt und hat ihr erstmal richtige Schmerzmittel gegeben (Hydromorphon, etc… statt Paracetamol!). Mein Glück: Mum gings bald wieder besser und ich habe keine Anzeige bekommen. Und der Pfleger ist auf unbestimmte Zeit erstmal beurlaubt.



Was jetzt?

Im Uniklinikum wurden weitere Untersuchungen angestellt. Diagnose erschütternd: 31 Metastasen in der Leber, eine 6,8 x 5,2 x 4,5 cm Metastase in der linken Nebenniere und 4 Metastasen in der Lunge - aber kein Haupttumor.

Vor der Bronchoskopie durfte sie noch mal nach Hause - was eigentlich auch ganz gut war.

Leider habe ich Müdigkeit, etc… auf die Medikamente geschoben. Die gelblich werdende Haut habe ich nicht wahrgenommen, es war auch kaum noch möglich sie zum Aufstehen zu bewegen.

Sonntag vor vier Wochen wollte ich sie zum Essen animieren und habe uns unsere Lieblingspizza bestellt. Doch nach dem ersten Stück fing sie plötzlich verwirrt an zu reden, war apathisch und schlagartig richtig müde. Da fiel mir erst auf das ihre Brille verbogen war - und die Antwort auch meine Nachfrage sorgte bei mir für einen Domino-Effekt: “Ich bin wohl gestern irgendwie gefallen.”



Nach kurzer Rücksprache mit dem hausärztlichen Notdienst habe ich dann 112 gewählt und einen RTW gerufen. Ab mit Blaulicht ins Uniklinikum, nach Behandlung dann Verlegung auf die Krebsstation.



Und das Herz blieb stehen.

Morgens kam der Anruf. “Ihre Mutter musste auf die Intensivstation verlegt werden. Hyperkalzämie und PRES-Syndrom. Und sie ist aufgestanden ohne Hilfe (wollte zur Toilette) und hatte einen Krampfanfall - das Ergebniss war eine (wirklich fette!) Beule an der linken Schläfe mit heftigen Hirnschwellungen.



Ich habe Unfälle, Todesfälle, Gewalt und noch mehr in meinem Leben erlebt, doch der Anblick von Mum mit den ganzen Schläuchen - und vor allem den Fixierungen - hat mein Herz stehen lassen. Danke an den Pfleger der sich nicht anders zu helfen wusste und mir ‘ne richtige Backpfeife verpasst hat (“Atmen, sie müssen atmen! Sie haben noch was vor sich!“).

Nach ca. zwei Wochen wurde sie auf die Palliativ-Station verlegt - leider hat man dort nicht wirklich realisiert das sie nicht mehr “wirklich” sehen kann. Da wurde dann das Essen und Trinken hingestellt - aber nicht gereicht...



Das leuchtende Feuer

Trotz extrem langer Wartezeiten kam nach vier Tagen der entscheidende Anruf (morgens, ich hab mit dem schlimmsten gerechnet und wollte nicht abnehmen). “Morgen wird ihre Mutter in das Hospiz verlegt. Möchten sie dabei sein?” Die Antwort dürfte klar sein.



Die Menschlichkeit und Wärme die mir in diesem Hospiz entgegen gebracht wird freut und schockiert mich zugleich! Auf der einen Seite ist das grosse DANKE, auf der anderen die Verzweiflung wegen der Absehbarkeit.



Das wirklich Schöne und mich vor allem Bewegende - Menschen mit Herz (und das muss verdammt gross sein) behandeln meine Mum als wär’s ihre eigene! Langsam kann ich die auch mir gebotene Hilfe annehmen.



Fehler gemacht???

Ich mache mir bis heute Vorwürfe das ich Symptome nicht rechtzeitig erkannt oder nicht richtig richtig reagiert habe. Ärzte, Freunde - und auch die Diakonin - versuchen mich davon zu überzeugen das es nicht so ist.



Was bleibt?

Die Zuversicht, die Hoffnung und der Schmerz. Und leider bald auch der Tod.

Und vor allem Erinnerungen an ein Leben mit Mum!



Der letzte Wille

In ein paar Stunden wird meine Mutter gesegnet und bekommt das Abendmahl. Abschiednehmen - das war noch nie mein Ding!



„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ - das werden wir! :prost:





Als das Herz stehen blieb. Wieder mal.

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